Freitag, 26. Juli 2013

Ausflug ins Traumland


Als wir im Delta des Parnaíbas ankamen, war es noch früh am Morgen. Alle waren noch ein bisschen erschöpft von der langen Busfahrt und vom frühen Aufstehen. Doch die müden Augen und verschlafenden Gesichter erhellten sich sofort, als wir die wunderschöne Landschaft erblickten. 
Unser Boot fuhr langsam aus dem Hafen und sofort fühlten wir uns wie in einer perfekten Tuifly-Werbung. Der Fluss schlängelte sich durch verwachsene Wälder und riesige Sanddünen. Monica übersetzte die Erklärungen unserer brasilianischen Führerin. Demnach würde unsere Fahrt drei verschiedene Stationen besuchen. Zuerst verschlug es uns an den Atlantischen Ozean. Dort rannten wir jubelnd in die Wellen. 
Danach fuhren wir weiter. Noch mehr Wald. Noch mehr schöne Dünen. Wir konnten einen einheimischen Fischer beim Krebsfang beobachten. Um sich vor den Mücken zu schützen, suhlte sich der Mann im kühlen Schlamm und krabbelte danach flink den Krebsen hinterher. Als seine Jagd erfolgreich beendet war, zeigte er voller Stolz seinen Fang. In Bündeln wurden die roten Krebse auf unser Boot gereicht. Nun ging es weiter in Richtung Sanddünen. Dort angekommen sprangen wir vom Schiff, bestiegen die steilen Dünen und ließen uns lachend ins Wasser kugeln.
Leider ging es darauf wieder zurück zum Hafen. Diese wunderschöne Landschaft und die Freude, die wir mit unseren brasilianischen Freunden teilten, war unbeschreiblich und wird uns den Abschied noch schwerer fallen lassen.
Leonard Ihßen und Julie Moser, 25. Juli


Pedro II: Wo die Opale wohnen


Müde machten wir unsere Augen auf und strichen unsere zerstruppelten Haare zu Recht. Wir waren um fünf Uhr morgens aufgestanden, um nach Pedro ll zu fahren. Ausnahmsweise ging es an diesem Morgen pünktlich los. Nun standen wir mit acht Brasilianern an der Hauptstraße von Pedro II und schauten uns um. 
Wie in Porto auch, befand sich der bepflanzte Bürgersteig zwischen den Fahrbahnen. Aber hier fuhren viel mehr Autos und Motorräder. Auf beiden Seiten der Straße standen große Möbel- und Supermärkte.
Piauí als Opal-Schmuck
Wir suchten uns unseren Weg durch die Stände eines Marktes. Kleider, CDs und Früchte stapelten sich auf den Verkaufstischen. In einer Galerie besuchten wir eine Bank. Hier wurde Geld angeboten, das es nur in Pedro ll gibt und mit dem man auch nur hier in einigen Märkten bezahlen kann. Damit soll die lokale Wirtschaft unterstützt werden. Viele Leute arbeiten in größeren Städten und machen auf dem Heimweg auch dort ihre Einkäufe. Davon profitieren große Ketten, die Ladeninhaber in Pedro II können hingegen immer weniger verkaufen und fürchten um ihre Existenz. In Porto wird ebenfalls überlegt, ob man dieses Geld einführt. 
Nach dem Besuch in der Bank schauten wir noch in weitere Lädchen rein, in denen typisch brasilianische Handarbeiten angeboten wurden. Dann fuhren wir ins städtische Kolpingzentrum und erfuhren etwas über die Projekte der Kolpinggemeinde. Unsere Mägen knurrten. Doch bevor wir uns in einem Restaurant stärken konnten, fuhren wir in ein Juweliergeschäft, in dem es die schönsten Opal-Ketten, Ringe, Anhänger und Ohringe gab. Die Opale bilden sich in Gesteinen ganz in der Nähe von Pedro II. Ich konnte mich kaum satt sehen. Die grün und blau schimmernden Steine waren kunstvoll eingearbeitet. 
Mit dem Sonnenuntergang fuhren wir auf einen Berg und genossen den Ausblick. Wir schossen Fotos über Fotos. Der Himmel war in ein warmes Rot-Orange getaucht. An der Aussichtsplattform ging es steil bergab. Am Fuß der Felswand erstreckte sich eine riesige Waldlandschaft. Je dunkler es wurde, desto mehr Siedlungen entzündeten ihre Lichter und tauchten in der Landschaft auf. Während wir auf der einen Seite der Sonne beim Untergehen zusehen konnten, stieg auf der anderen Seite der Mond auf. Wir staunten: gerade hatten wir nur einen schmalen Streifen des Mondes hinter dem Berg gesehen, nur wenige Sekunden später stand er schon voll und rund über der Bergspitze. Es schien, als würde er mit einem zufriedenen Lächeln auf uns herunter schauen. Wir hätten ewig dort oben stehen können, um diese Aussicht zu genießen. 
Nach dem Abendbrot im Restaurant fuhren wir zu unserer Schlafstätte. Wir durften alle bei Raimundo João, einem Mitglied der Kolpinggemeinde schlafen. Die Gastfreundschaft hier beeindruckt uns immer wieder. Erschöpft richteten wir unsere Schlafplätze her und nach einer ersehnten Dusche fielen wir in die Kissen. 
Leona Holzki, 25. Juli

Samstag, 20. Juli 2013

Auf Fischjagd im Rio Parnaíba


Gestern in der Mittagspause wurde ich von Jackson und Raphael gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihnen Garnelen und Fische zu fangen. Ich hatte natürlich Lust und machte mich mit den beiden sowie Lucas und Allyson auf den Weg zum Parnaíba. 
Wir gingen durch einen der ärmeren Teile Portos und trafen dort zwei weitere Brasilianer, die Lust auf Fischfang hatten. Weiter ging es auf einem kleinen Trampelpfad, danach balancierten wir auf wackligen Rohren über einen Fluss, in dem eine Frau ihre Wäsche wusch, während ihre beiden Söhne mit kleinen selbstgebauten Angeln spielten. Der Pfad verengte sich und verlief schließlich ganz im sandigen Boden. Also ging es durchs Unterholz weiter. Hierbei waren die Brasilianer sehr vorsichtig und umsichtig. Sie warnten mich vor jedem tiefer hängendem Ast und ließen mich in ihrer Mitte gehen, um mich auch vor Schlangen schützen zu können. Schließlich kletterten wir über einen Zaun und erreichten einen versteckten Strand, den meine Begleiter für geeignet hielten. 
Wir zogen unsere T-Shirts aus und wateten wegen der spitzen Steine vorsichtig ins Wasser. Die Ausstattung bestand aus einem Plastikeimer und zwei geschärften Metallstangen. Mir wurde erklärt, wie wir vorgehen würden und danach ging es los. Mit unseren Händen fingerten wir in den spitzen Steinen herum, bis wir etwas Lebendiges erhaschten, dann kamen die Stangen zu Einsatz. Weil es nur zwei von ihnen gab, wurden sie, sobald jemand ohne Stange einen Fisch berührte, ihm schnell und leise zugeworfen. 
Ich muss gestehen: ich war ein echt grauenhafter Fischer. Zwar berührte ich ab und zu einen der schnellen Camarão und Gragiola, jedoch war ich immer zu langsam beim Aufspießen. Meine brasilianischen Begleiter hingegen hatten mehr Glück. Vor allem Jackson und Raphael erstaunten mich mit ihrer Beute. Es dauerte nicht lange und die beiden hatten den ganzen Eimer voll. Zwischendurch schwammen mehrere Enten an uns vorbei und ein wildes Pferd schnupperte an unseren am Strand gelassenen Sachen und löschte seinen Durst im trüben Wasser des Panaíbas. Als die Brasilianer die heranschwimmenden Enten sahen, bekam einer den Auftrag, an die Tiere heran zu tauchen und einen der Vögel zu fangen. Der erste Versuch scheiterte. 
Doch als eine Entenmutter mit ihren Jungen angeschwommen kam, gelang es einem der Jungen, sich eines der Küken zu fangen und es in einer gefundenen Plastiktüte einzusperren. Allyson wollte das Küken mit zu unserem Haus nehmen und es dort Taischa schenken. Er ließ sich nicht davon abbringen und war überzeugt, dass sie ihn danach lieber mögen würde. Erst nach zwanzig Minuten schwerster Überzeugungsarbeit auf Portugiesisch, durfte das erschrockene Kleine wieder zur Mutter. Froh über das bestandene Abenteuer, machten sich die Vögel daran, Land – beziehungsweise Wasser – zu gewinnen. Und auch Allyson und ich, die schlechtesten Fischer der Gruppe, machten uns daran, nach Hause zu gehen. Auf dem Rückweg trafen wir eine völlig betrunkene Frau, die uns unverständliche Worte nachschrie und einen Mann, der dabei war, eines der wilden Pferde einzureiten.
Abends trafen sich alle brasilianischen Fischer bei Jackson und verdrückten den gefangenen Fisch bei zwei Flaschen Wodka. Leider konnte ich nicht dabei sein, da beschlossen war, dass die Gruppe an diesem Abend zusammen Unternehmungen machen sollte.
                                                                                                                            
Leonard Ihßen 

Donnerstag, 18. Juli 2013

Montezumas Rache


Mein Bauch krampfte sich zusammen. Der Schweiß stand mir auf der Stirn und begann an den Schläfen herunter zu laufen. Mylla wedelte mir mit einem Blatt Luft zu. Wiederholt wurde bei mir Fieber gemessen und ich musste Kokoswasser trinken, das mir überhaupt nicht schmeckt. Beharrlich versuchte sie, mich dazu zu überreden ins Krankenhaus zu gehen. Doch alles Reden war vergeblich, ich weigerte mich. Nach langem hin- und herwälzen schlief ich wieder ein. 
Als ich wieder aufwachte, ging es mir etwas besser. Doch auf dem Rückweg von der Toilette wurde mir schwarz vor Augen und ich legte mich einfach flach auf den Boden. Erst nach einigen Minuten schaffte ich es, die letzten zwei Meter zurück auf die Terrasse zu meinem Krankenbett zu kriechen.  Inzwischen kamen die Anderen vom Jugend-Kolping-Festival zum Thema Drogen und Verkehrssicherheit zurück. Ich zog mich in mein Zimmer zurück. 
Es muss so gegen Mitternacht gewesen sein, als Mylla feststellen musste, dass mein Fieber nun auf 40 Grad gestiegen war. Besorgt rief sie Neto an, der mit den Jungs in einer Bar saß und sofort mit Marcello kam, um mich nun doch ins Krankenhaus zu bringen. Sehr widerwillig, aber zu schwach um mich wirklich zu wehren, ließ ich mich ins Auto setzten und zum 200 m weit entfernten Krankenhaus fahren. Ich sackte auf der Liege zusammen. Neugierige standen in der Tür und begutachteten mich, ob das wirklich alles Krankenschwestern waren, wage ich zu bezweifeln. Als der Arzt kam, beantwortete ich tapfer die Fragen und ließ mich abtasten. Völlig entkräftet stützte ich mich auf Mylla und schwankte in ein Krankenzimmer. Wenig später traf auch Jan mit ähnlichen Symptomen ein. 
Eine Krankenschwester, ohne Kittel oder einem uns bekannten Schwestern-Outfit, kam und prüfte meinen Blutdruck. Angespannt, aber mich zwingend die Hand locker zu lassen, wurde mir ein Infusionszugang gelegt. So war meine Hand außer Gefecht gesetzt und es war mir nicht möglich, allein auf die Toilette zugehen oder zu duschen. 
Beim Aufwachen war ich von Schweiß durchnässt, mein Fieber war immer noch nicht wieder gesunken und der Ventilator war nicht stark genug, so dass kein Windzug bei mir ankam. Also wurde ich kurzer Hand aus dem Bett geholt und mein Bett umgestellt. Erleichtert legte ich mich in den Luftzug und schlief wieder ein. Mylla wachte die ganze Nacht an meinem Bett.
Nach einer relativ unruhigen Nacht ging es am Tag mit mir wieder Berg auf. Während wir zahlreichen Besuch erhielten, wurde auch Leonie im Laufe des Tages eingeliefert. Nach dem zweiten Infusionsbeutel wurde ich vom Schlauch befreit, ich musste jedoch bis zum Abend warten, bis der Arzt eintreffen und mich entlassen würde. Doch als er dann endlich eintraf, die große Enttäuschung, mein Blutdruck gefiel ihm noch nicht und auch meine Hände zeigten nicht die gewünschte Reaktion. Also musste ich eine weitere Nacht im Krankenhaus schlafen und ein weiteres Mal an den Tropf. Zunächst jedoch wollte meine Ader die Nadel nicht annehmen und sie schwoll an, es sah aus wie eine Murmel unter der Haut. Im zweiten Anlauf jedoch funktionierte der Zugang. Ich wachte wieder auf, weil sich jemand an meiner Hand zu schaffen machte. Müde schlug ich meine Augen auf und sah, dass Myllas Schwester meinen Infusionszugang entfernte. Zwar etwas verwundert aber nicht empört, sah ich ihr dabei zu, wie sie mir das lästige Teil auf der Hand zog. Und am nächsten Tag durfte ich dann endlich nach Hause.

Leona Holzki, 17. Juli

Dienstag, 16. Juli 2013

Unser großer Tag: Bericht über hohen Besuch und ein tiefes Loch


Es sollte der wichtigste Tag unseres Aufenthaltes in Porto werden: Freitag, der 12. Juli. Der Tag, an dem die Brunnenbohrer auf unserem Grundstück Wasser finden sollten. Und der Tag, an dem der Gouverneur von Piauí in Porto erwartet wurde. Wir wollten dem Oberhaupt des Bundesstaates unser Projekt vorstellen und hofften auf seine Unterstützung.
Es war ein sonniger Tag. Als die vier Arbeiter des Bohrtrupps morgens auf unsere Plantage fuhren, brannte die Sonne bereits kräftig. Eine wilde Herde Ziegen und einige Wildschweine, die durch den beschädigten Zaun auf unser Grundstück gekommen waren, flüchteten vor dem LKW. Dutzende Libellen schwirrten um unsere Köpfe herum, am Himmel segelte ein Urubu, der Geier Brasiliens, elegant seine Runden.
Der Hochbehälter für die Bewässerung soll am oberen Ende der Plantage aufgestellt werden, damit das Wasser nur durch Schwerkraft zu den einzelnen Pflanzen fließt. In unmittelbarer Nähe wollten wir den Brunnen bohren.
Nachdem die Männer des Bohrtrupps ihre Maschinen aufgestellt hatten, setzten sie erstmal einen Fleischtopf für ihr Mittagessen auf den mitgebrachten Gasherd und versorgten uns mit Cafezinho. Aldo formte einen Ast zu einer Wünschelrute und ging damit über das Gelände. Die Rute schlug unweit der gewünschten Stelle aus. Der Bohrpunkt war bestimmt.
Während die Arbeiter die Bohrung vorbereiteten, führte Aldo uns durch das Dickicht außerhalb der Plantage. Dort liegt ein noch ursprünglicher Palmenwald und wir mussten etliche Höhenmeter zurücklegen. Dieser Teil des Grundstückes, insgesamt zwei Drittel der Fläche, sollen unberührt bleiben.
Boden in 6, 11, 16 und 21 m Tiefe
Aldo mit Wünschelrute
Um 11.00 Uhr setzten die Arbeiter den druckluftbetriebenen Bohrer an. Er machte einen ohrenbetäubendem Lärm. Die ersten sechs Meter gingen sehr schnell, leuchtend gelber Sand spritzte nach oben. Dann wurde der Boden dunkler, wir bohrten durch eine Tonschicht. Das Gesteinsmehl wurde feucht, wir wurden schon ein wenig euphorisch. Nach elf Metern stießen wir wie erwartet auf Stein. Das Tempo der Bohrung wurde deutlich langsamer, es ging nur noch zentimeterweise voran. Alle fünf Meter musste das Bohrgestänge verlängert werden. Bei 16 Metern zogen die Männer den 17 Zentimeter dicken Bohrer heraus und führten blaue Rohre in das Bohrloch ein. Unterhalb dieser Tiefe werden die Rohre im Stein nicht benötigt. Die Bohrung kann mit einem dünneren Bohrer und damit etwas schneller fortgeführt werden.
Als wir nachmittags erneut auf die Plantage kamen, waren die Arbeiter bereits bei 85 Metern Tiefe. Von Wasser war jedoch bislang keine Spur. Wir hatten die ersten Wasserschichten bereits bei einer Tiefe von 40 Metern erwartet. Auch die Jugendlichen, die die Arbeiten anschauen wollten, waren enttäuscht. Bei 100 Metern Tiefe wurde die Bohrung abgebrochen. Hatten wir einfach nur Pech gehabt und einen besonders großen und dichten Fels erwischt und nur ein Meter weiter wäre Wasser gewesen? Oder gab es in diesem Bereich der Plantage kein nutzbares Grundwasser? Sollten wir rund 5.000 Euro für diese Bohrung buchstäblich in den Sand gesetzt haben?
Der Gouverneur ließ auf sich warten. Planmäßig sollte er um 13.40 Uhr in Porto eintreffen. Niemand wusste, wann er wirklich kommen würde. Wir warteten am Ortseingang – eine Stunde, dann zwei, schließlich drei. Wieder Frust. Das Programm musste kräftig zusammen gestrichen werden, wir würden wohl keine Gelegenheit haben, ihm unser Projekt vorzustellen. Für die Vorführung unserer kleinen Solaranlage würde es schon zu dunkel sein.
Schließlich kam der Gouverneur mit einem großen Wagentross amerikanischer Pick-Ups mit schwarzen Scheiben. Ich wurde ihm vorgestellt und er scheuchte alle anderen Personen fort, mit denen er sich zum Gruppenfoto aufgestellt hatte. Die Kameras klickten. Als er unsere Jugendlichen entdeckt hatte, winkte er sie für ein Foto zu sich, küsste die Mädchen und gab sich sehr freundlich und jovial. Er erzählte, dass er 1985 sechs Monate in Berlin war und dort in einem Krankenhaus als Arzt gearbeitet hätte. Da hatten wir schon mal eine Verbindung. Trotzdem war es eine recht merkwürdige Situation.
Der Gouverneur von Piauí schreibt uns ein Grußwort.
Anschließend besuchte der Gouverneur das örtliche Krankenhaus und fuhr zu einer Schule, wo viele Stühle und ein Podium aufgebaut waren. Ich wurde als „Presidente do Brasil09“ (der deutsche Begriff „Vorsitzender“ klingt vergleichsweise langweilig) namentlich begrüßt und sollte auf dem Podium Platz nehmen. Unsere Jugendlichen saßen mit ihren gelben Projekt-T-Shirts gleich in der ersten Reihe. Die Politiker aus Porto hielten Reden, der Gouverneur begrüßte noch einmal ausführlich unsere Gruppe, sprach von seiner Zeit als Arzt in Berlin-Steglitz und von der großartigen Leistung der Deutschen, die beiden Staaten zu vereinigen. Außerdem versprach er unter großem Jubel eine deutlich bessere Ausstattung des örtlichen Krankenhauses und den Aufbau zusätzlicher Gesundheitsstationen.
Bevor der Gouverneur ging, konnte ich ihn gerade noch um einen Eintrag auf einem provisorischen Zettel für unser Goldenes Buch bitten. Während er schrieb, erläuterte Monica kurz unser Projekt und ging auf die Solaranlagen ein, die wir als Pilotprojekt in Porto aufstellen wollten. Er zeigte sich sehr interessiert, gab mir seine Visitenkarte und bat darum, ihn noch einmal ausführlicher per E-Mail zu informieren. Er hätte selbst auch schon ein Solarprojekt und würde da gern mit uns zusammenarbeiten. In seinem Grußwort auf dem Zettel habe er das ebenfalls geschrieben.
Schlagartig wandelte sich dieser frustrierende Tag in einen Erfolg. Wir müssen nur noch seine äußerst schwer zu lesende Schrift entziffern und übersetzen, dann werden wir ihm kurzfristig antworten.
Mit schwerem Gerät finden wir in 117 m Tiefe Wasser.
Am Samstagmorgen ließ Aldo die Bohrung auf der Plantage noch etwas tiefer treiben. Bei 117 Metern war der Fels endlich durchstoßen. Wasser sprudelte mit großem Druck aus dem Bohrloch. Was für eine Erleichterung! Fast hätten wir aufgegeben. Innerhalb von fünf Stunden pumpten wir 10.000 Liter Wasser hoch, die für die Plantage benötigte Tagesration.
In Brasilien muss man Geduld haben und warten können. Dann wird alles gut!
Peter

P.s.: In Brasilien gibt es ein eigenes Verb dafür, dass etwas (zu) lange dauert. Es heißt demorar...

Sonntag, 14. Juli 2013

Die Plantage ist gepflügt!


Die Radladerfahrer der Stadt haben gute Arbeit geleistet: Sie haben die Sträucher von unserer Plantage geräumt, einige Palmen gefällt und den Boden gepflügt. Jetzt können wir wirklich bald die ersten kleinen Pflanzen in die Erde setzen.

Blick vom hinteren Teil des Grundstücks zur Straße. Zwei Kilometer zur Linken liegt das Zentrum von Porto.



Und das sind die Fruticultura-Fakten: 

Açerola-Kirschen (Foto von 2012)

 Wir haben jetzt 10.000 qm freie Fläche, auf 8.000 qm können wir Obst anbauen. 500 Açerola-Sträucher haben wir bereits bei einer Baumschule bestellt. Außerdem pflanzen wir auf einem 30 Meter breiten Streifen ganz unterschiedlichen Obstsorten. Etwa zwei Jahre wird es dauern, bis wir die ersten Früchte ernten können.

Die Açerola-Sträucher tragen drei Mal im Jahr Früchte. Diese sehen fast aus wie Kirschen, haben aber weichere Kerne. Açerolakirschen sind dafür bekannt, dass sie besonders viel Vitamin C enthalten. Unser Landwirtschaftsfachmann Aldo schätzt, dass an jedem Strauch pro Jahr 20 bis 100 kg Früchte wachsen werden. Das macht also insgesamt mindestens 10.000 kg Açerola im Jahr!

So sah unser Grundstück noch vor wenigen Tagen aus.
Mit den Maschinen, die wir in Teresina gekauft haben, können wir in der Casa das Frutas 60 kg Früchte in einer Stunde zu „Polpa“ verarbeiten. Das ist gefriergetrocknetes Fruchtfleisch, eine Möglichkeit, das Obst haltbar zu machen. Ein Kilo Açerola ergibt dabei 500 Gramm Polpa. Sie wird in Tüten abgefüllt. Die Brasilianer nutzen die Polpa zum Beispiel, um Saft und Eis daraus zu machen. Das leckere Açerola-Eis durften wir auch schon kosten.


Am Samstag wurde der Brunnen gebohrt. Auch dazu schicken wir so bald wie mögliche mehr Informationen und erklären euch, wie das Bewässerungssystem funktioniert.

Samstag, 13. Juli 2013

Erlebnis im Eisgeschäft


Es war mal wieder richtig warm, so um die 40 Grad. Deshalb hatte ich Lust ein Eis zu kaufen. Ich ging mit Taischa zum nächsten Eisgeschäft. Als wir an der Kasse standen, um zu bezahlen, bezahlte eine super süße brasilianische Dame unser Eis. Sie kam, umarmte uns, gab uns links und rechts ein Küsschen und verließ mit einem zufriedenen Grinsen den Laden. 
Mir war es so unangenehm, weil sie nicht so viel Geld hat wie ich und sie es mir trotzdem bezahlt hat. Ich habe versucht es ihr zurückzugeben, jedoch wollte sie es auf keinen Fall annehmen. Es war ihr eine Freude, zwei weißen Mädchen etwas zu schenken, obwohl sie sich vielleicht niemals ein Eis kauft, weil das Geld so knapp ist. Daran merkt man, wie selbstlos und herzlich die Menschen hier sind. 
Julie Moser

Freitag, 12. Juli 2013

Drehen, springen, hopsen bis zum Umfallen


Am  vergangenen Sonntag hatten wir zum ersten Mal Tanzunterricht bei Daniella, die extra aus Teresina gekommen war. Weil sich im Jugendzentrum inzwischen die ökologischen Ziegelsteine türmten, trafen wir uns in der renovierten "Casa das Frutas". Zum Eintanzen fingen wir mit zwei leichten Schritten an. Mein brasilianischer Tanzpartner hatte die Schritte relativ schnell drauf und führte mich, bis ich sie auch konnte. 
Dann ging es an den richtigen Tanz. Es dauerte eine Weile, bis alle auf ihrem Platz mit dem richtigen Partner zusammen standen. Es fing mit leichten Schritten an und steigerte sich dann, je weiter die Choreographie fortgeschritten war. Da es so warm war, fiel das Tanzen schwerer, machte aber trotzdem unglaublichen Spaß. Wir drehten, sprangen, schritten und hopsten bis in den späten Nachmittag hinein. Etwas kaputt und zufrieden gingen wir nach Hause. Ich hoffe die nächste Tanzstunde folgt bald!
Julie Moser
Tanzlehrerin Daniella blickt zunächst skeptisch drein...
...doch nach einer Weile haben wir den Dreh heraus!

Donnerstag, 11. Juli 2013

Raubüberfall in Porto


Heute lassen wir an dieser Stelle auch unsere brasilianische Freundin Ana Paula zu Wort kommen. Sie ist am Dienstag Opfer eines Raubüberfalls geworden. Ein Vorfall, der uns sehr beschäftigt. Aus drei Blickwinkeln erzählen wir, was genau geschehen ist.

Überfallen: Ein Tag, den ich niemals vergessen werde
Gestern war kein guter Tag für mich, denn es ist etwas geschehen, was ich niemals vergessen werde und was mir nie zuvor passiert ist. Dabei war der Tag unächst so toll für mich, wirklich super. Am Abend war ich komplett glücklich. Ich war im Haus der Deutschen und unterhielt mich in der Küche mit Finjo, Nana und Marcelo. Es war verabredet, dass ich Nana nach Hause bringen würde. Sie wusch etwas dreckiges Geschirr ab, das sonst die Haushaltshilfen abgewaschen hätten. So würden Pretinha und Tante Ceica weniger Arbeit haben. Deshalb half ich ihr, mit Finjo, Nana und Marcelo quatschend und scherzend, um die Zeit zu vertreiben.
Als es schon fast elf war, sagte ich „Nana, lass uns gehen. Es ist schon spät und mein Pate Neto ist auf seinem Motorrad gekommen. Ich habe ihn gefragt, ob wir es nehmen dürfen. Wir können schon los...“ Danach fuhren wir, nahmen den Weg zu Nanas Haus und passierten wie üblich das Zentrum. Als wir fast bei Nana Zuhause waren, fragte sie: „Cousine, wirst du allein zurückkehren?!“ „Ja, ich werde schnell sein“, antwortete ich ihr. Und so kehrte ich um. Als ich die letzte Ecke vor dem Haus erreichte, drosselte ich die Geschwindigkeit um abzubiegen. Plötzlich steuerten zwei Männer mit einem Motorrad auf mich zu. Sie stoppten direkt vor mir, zielten mit einer Waffe auf mich und sagten „Gib mir das Motorrad und dein Handy!“ Ich sagte, „ich habe kein Handy“ und sie nahmen mir das Motorrad weg und brausten mit hoher Geschwindigkeit davon. Ich blieb zurück ohne zu wissen, was ich tun sollte und rannte, bis ich im Haus der Deutschen angekommen war. Verzweifelt fiel ich auf den Boden und fing an zu weinen. Ich erzählte, dass sie mir das Moto geraubt und mit einer Waffe auf mich gezielt hatten. Sofort herrschte ein riesen Auflauf. Jetzt geht es mir schlecht, denn das Motorrad war ja von meinem Patenonkel Neto.
Ana Paula, Mittwoch, 10. Juli 2013

Schock des Abends

Gestern Abend machten wir eine schreckliche Erfahrung, über die wir noch bis spät in die Nacht hinein diskutierten. Diese Erfahrung brachte jegliches Sicherheitsgefühl ins schwanken und ließ uns Porto aus einer ganz anderen Sicht erleben.
Einige von uns verbrachten den Abend in einer gemütlichen Bar und feierten den 23. Geburtstag von Jackson, während wir anderen krank zu Hause waren.
Gerade versuchten wir, mit Händen und Füßen, den Brasilianern klar zu machen, was „Klassenfahrt“ heißt, da stürzte mit einem Mal Ana Paula in die Küche. Sie warf ihre Flipflops von sich und sank weinend auf den Boden. Sofort begriffen wir, dass etwas Schreckliches passiert war. Mit wenigen Worten schilderte die Verängstigte, was geschehen war. Neto übersetzte, dass Ana Paula von zwei bewaffneten Männern überfallen worden war, die sie mit einer Pistole bedrohten und ihr das Motorrad entwendeten.
Schlagartig wurden alle befreundeten Brasilianer informiert und um Hilfe gebeten. Es dauerte nur wenige Minuten, da versammelten sich an die vierzig Brasilianer vor unserem Haus. Sie durchkämmten jeweils zu zweit die Stadt nach den unbekannten Tätern. Doch vergebens. Die Verbrecher stammten nicht aus Porto, wie fünf Augenzeugen berichteten.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde beteiligte sich endlich die Polizei an der Suche.
Doch auch die Hüter des Gesetzes konnten nichts ausrichten.
Bis heute ist die Suche vergeblich gewesen. Ana Paula ist immer noch wie gerädert, Netos Motorrad, für das er fünf Jahre arbeiten musste, ist wahrscheinlich für immer verschwunden.
Wir haben schon darüber nachgedacht zusammenzulegen und ihm so gut es geht den Schaden zu ersetzen.
Julie und Leonard

Sonne und Schatten
Jackson hat Geburtstag. Tagsüber brannte die Sonne bei über 30°. Abends feiern wir in einer fröhlichen Gruppe im Schein der Laternen auf der Wiese an der Praça. Deutsche und brasilianische Jugendliche verständigen sich mit Händen und Füßen und versuchen, die jeweilige Sprache der anderen zu verstehen und zu erlernen. Es wird viel gelacht, wir fühlen uns ganz eng verbunden. Heller kann für uns die Sonne gar nicht scheinen.
Plötzlich kommt Marcelo ganz aufgeregt mit seinem Motorrad angefahren. Er ruft den brasilianischen Jugendlichen etwas zu und sofort springen alle Jungs auf, rennen zu ihren Motos und rasen davon. Mylla bittet uns, sofort nach Hause zu kommen. Die Party ist vorbei.
Nach und nach erfahren wir, dass Ana Paula, eine sehr selbstbewusste, äußerst lebensfrohe 17-jährige Brasilianerin aus unserer Gruppe, bei einem bewaffneten Raubüberfall in der Nähe unseres Hauses ihr Motorrad abgeben musste und sich mit einem schweren Schock laut schreiend in unserem Haus auf den Boden geworfen hätte. Mit einem Mal ist es stockfinster für uns. Auch wir sind geschockt. Die Brasilianer sind entsetzt, dass ein solcher Vorfall so dicht neben uns passiert ist und haben Angst, nicht ausreichend für unsere Sicherheit sorgen zu können. Das bedrückt uns noch mehr. Es dauert lange, bis wir in dieser Nacht ins Bett kommen und schlafen können.
Auch am nächsten Morgen ist die Stimmung noch sehr bedrückt, bei Deutschen wie bei Brasilianern. Uns dämmert langsam, dass wir gemeinsam als Freunde noch sehr viel daran arbeiten müssen, dass die Sonne für uns alle wieder scheint.
Peter

Zwei Kirchen, zwei Welten


Am Sonntag wurden wir gleich zu zwei Gottesdiensten eingeladen. Morgens besuchten wir die katholische Messe. Hier war alles wie erwartet. Die Messe wurde feierlich mit viel Gesang und dem Abendmahl gehalten.
Katholische Kirche in Porto

Mir fielen die beiden Bürgermeister auf. Der alte zu meiner linken gab sich sehr ehrfürchtig und gläubig, wirkte jedoch auf mich so, als würde er es eher als Pflichtprogramm ansehen und seine Show abhalten. Der jetzige Bürgermeister wirkte ehrlicher auf mich, er und seine Frau hielten die Messe wie alle anderen ab, wobei aber auch sie in der ersten Reihe Platz genommen hatten. Am Ende der Messe sangen wir Brasil09ner gemeinsam den Kanon „Herr, gib uns deinen Frieden“, wobei wir uns in den Mittelgang der Kirche stellten und die Besucher der Kirche an den Händen hielten.
Abends besuchten wir den Gottesdienst der evangelisch-baptistischen Kirche. Diesen werde ich vermutlich nicht so schnell wieder vergessen.
Monica, Michael, Aaron, Julie, Taischa und ich folgten auch der zweiten Einladung. Wir betraten die „Kirche“ und merkten sofort, dass wir hier falsch waren. Der Pastor, oder vielmehr der, der am meisten redete, war angezogen wie ein schlechter Moderator einer noch schlechteren Lotterieverlosung. Vielleicht lag es an der Art seiner Bewegungen, an seiner Golduhr, an seinem komischen Anzug oder an der Art, wie er sich lässig an der Kanzel abstützte. Auch der Vorhang hinter ihm bot weder einen feierlichen, noch einen kirchlichen Anblick. Der Gottesdienst dauerte mehr als zwei Stunden, wobei seine Predigt die ganze Zeit von lautem Seufzen, Rufen, Stöhnen und Weinen unterbrochen wurde. Alles wirkte fremd und überzogen. Wie uns Monica übersetze, handelte die Predigt von der Kreuzigung Christi. Vielleicht hatte der Mann im Anzug seiner Gemeinde aufgetragen, den Schmerz der Kreuzigung nachzuempfinden, auf jeden Fall fingen alle wie auf Knopfdruck an zu schreien und steigerten sich bis ins laute Weinen hinein.
Der Mann im Anzug stachelte sein armes Publikum immer weiter an und quälte sie gefühlte vier Stunden lang mit seiner Predigt. Irgendwann wurde es uns zu bunt und wir verließen den „Gottesdienst“ nach zwei Stunden Dauerbeschallung völlig gerädert und mit dem dringenden Wunsch nach Erholung.
Leonard Ihßen

Samstag, 6. Juli 2013

Ziegelsteine pressen gegen die Sucht


Frederico arbeitet den ganzen Tag mit uns im Centro, in dem er mit uns Backsteine herstellt. Seine zwei Schwestern kommen nach dem Schulunterricht auch dazu. Auch gestern waren die drei Geschwister wieder da und arbeiteten fleißig mit. Ich saß auf einem Stuhl und beobachtete sie. Mylla begann sich mit einem der Mädchen zu unterhalten. Sie ist die einzige von den dreien, die auch am Projekt teilnimmt. Sie erzählte, dass sich ihre Mutter vor einigen Tagen versucht hatte umzubringen. Sie hatte viele Tabletten geschluckt, konnte aber noch rechtzeitig gefunden werden. Ich war geschockt. Seit ein paar Tagen lag also dieses Erlebnis auf den Schultern dieser Jugendlichen und dennoch kamen sie freudig lächelnd jeden Tag auf mich zu, begrüßten mich und arbeiteten beständig und mit Freude mit.
Sehr vorsichtig fragte ich, warum ihre Mutter versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Ich erfuhr, dass Frederico ein sehr großes Drogenproblem hat, mit dem er nicht alleine zurecht kommt. Das hatte die Mutter nicht mehr ausgehalten. Doch Mylla erklärte mir auch, dass er deshalb jetzt mitarbeitet, um die Sucht zu bekämpfen. Er fängt früher an als wir und hört auch erst später auf, um sich abzulenken. Mit Erfolg, seit zehn Tagen ist er sauber. 
Das hat mich so bewegt, dass ich erst einmal raus gehen musste. Doch eine der Schwestern kam hinter mir her und fragte mich, warum ich weine, so lieb und freundlich, dass es mir sehr schwer fiel, nicht ganz von meinen Gefühlen übermannt zu werden. Ich schluckte und nahm sie einfach nur in den Arm. Es ärgerte mich, meine Ausdrucksmöglichkeiten reichen nicht so weit, dass ich mit ihr darüber reden könnte. Deshalb hielt ich sie nur in den Armen. 
Am 13. Juli gibt es hier in Porto eine große Veranstaltung, an der wir mit Jugendlichen aus der ganzen Region über Drogen und Suchtkrankheiten sowie über die Gefahren des Straßenverkehrs sprechen sollen. Drogen sind in Porto ein großes Problem. Ich habe ein etwas mulmiges Gefühl, wenn ich daran denke. Doch ich habe die Hoffnung, dass sich der Konsum einschränken lässt. Vom Stadtrat ist geplant, eine Entzugsklinik zu bauen, in die Abhängige aus mehreren Städten der Region kommen können, um sich helfen zu lassen. Ich bin sehr erfreut darüber, dass die Portuenser dieses Problem angehen. 
Frederico heißt eigentlich anders. Aber wir möchten, dass er selbst entscheiden kann, wer von seiner Drogensucht erfährt. Deshalb haben wir uns einen anderen Namen ausgedacht.
Leona Holzki, 5. Juli

Abkühlung im Fluss


Bericht von Donnerstag, 4. Juli
Wir fuhren mit dem Boot auf eine im Fluss liegende Sandbank zu, bereit ins kalte Wasser zu springen und der Hitze zu entfliehen. Endlich angekommen ließ sich keiner mehr halten und wir schwammen um die Wette. Ich war überrascht, wie warm das Wasser war, wodurch wir so lange drinbleiben konnten, wie wir wollten. Von außen sieht der Fluss sehr dreckig und braun aus, doch Neto sagte mir, dass nur der Schlamm vom Boden aufgewirbelt wird und das Wasser eigentlich sauber sei. 
Die Kulisse des riesigen Flusses, der sich langsam durch Palmenwälder seinen Weg sucht und mit kleinen Sandbänken bestückt ist, hat mich sehr beeindruckt und in mir ein unglaubliches Freiheitsgefühl ausgelöst.
Aaron Sundermeyer

Die versteckte Seite der lebensfrohen Brasilianer

Bericht von Donnerstag, 4. Juli
Leona und Mylla

In Porto ist es nicht selbstverständlich, dass uns die Jugendlichen in das Haus mitnehmen, in dem sie wohnen. Denn oft schämen sie sich für ihren Lebensstandard. Deshalb nenne ich das Mädchen, von dem ich euch erzählen möchte, Francisca. Eigentlich heißt sie ganz anders.
Mylla fragte mich heute, ob ich mitkommen wolle, Francisca, ein Mädchen aus dem Projekt, mit dem Motorrad nach Hause zu bringen. Sie wohnt ca. sieben Kilometer außerhalb von Porto. Auf einem sandigen Weg, voller Schlaglöcher und Steine fuhren wir an vereinzelten Häusern vorbei. Mir wurde mulmig zumute, was wird das für ein Haus sein? Wie soll ich mich dann verhalten? Doch nach ungefähr fünf Kilometern kam ein großes, gut gebautes Haus und ich dachte, hier würde sie wohl wohnen und atmete auf, doch wir fuhren weiter. 
Wir steuerten eine Lehmhütte an, mit getrockneten Palmenwedeln bedeckt. Ein kleines Mädchen schaute mich mit großen dunklen Augen an. Zwei weitere kamen freudig ihren Namen singend hinter dem Haus hervor. Neugierig sahen sie mich an. Franciscas Mutter kam lächelnd aus der Hütte. Wir wurden einander vorgestellt und mit strahlenden Augen umarmte sie mich fest und lange. Sie zeigte mir ihre Küche. Sie wirkte fast stolz, eine Küche zu haben, die aber nur aus Lehm gebaut war. Selbst der Backofen war aus Lehm. Sie führten mich weiter durch ihre Hütte. Es gab keinen Putz an den Wänden und kaum Möbel. Doch sie wirkten gar nicht traurig. Und die zwei kleinen Kinder, kamen sehr zutraulich auf mich zu und als ich mich zu ihnen hinunter beugte, setzte sich das Mädchen bei mir auf die Knie und schaute mir lächelnd ins Gesicht. Wir verabschiedeten uns und Francisca hielt mich lange fest.    
Ich kenne Francisca als ein sehr frohes, immer gut gelauntes, lachendes Mädchen. Wenn man sie trifft, dann glaubt man nicht, dass sie so leben muss. Dieses Erlebnis, der Besuch bei ihr zu Hause, war sehr eindrucksvoll und ich konnte spüren, wie dankbar Franciscas Mutter ist, dass ihrer Tochter die Chance gegeben wird, an unserem Projekt teilzunehmen.
Leona Holzki

Freitag, 5. Juli 2013

Endlich beginnt die Arbeit

Bericht von Dienstag, 2. Juli 2013

Heute war unser erster Arbeitstag und wir gingen zum Jugendzentrum, um tijolo ecológico, „ökologische Ziegelsteine“ für unser Haus auf der Plantage herzustellen. Hierfür hatten wir eine Maschine, die wir am Vorabend mit viel Mühe und Kraft aus einem Lastwagen herausgehoben hatten. 
Das Material für die Steine ist eine simple Mischung aus feinem Sand, Wasser und ein wenig Zement. Vor dem Haus gab es einen großen Sandhaufen mit sehr grobem Sand, den wir anfangs in das Jugendzentrum gekarrt haben (leider gab es nur eine Schubkarre, der Rest wurde mit Eimern dorthin gebracht). Der grobe Sand wird dann komplett mit kleinen Sieben, die man entweder allein oder zusammen benutzen kann, durchgesiebt. Dann wird der entstandene feine Sand mit Wasser und Zement vermischt und diese Mischung in die Maschine geschüttet. Am Ende müssen die Steine fünf Tage lang trocknen, bevor man sie für den Hausbau benutzen kann. 
Es gab überall etwas zu tun und jeder konnte an verschiedenen Stationen mithelfen. Das hat sehr viel Spaß gemacht. Müde und ausgelaugt von der Wärme sind wir nach Hause gekommen, wo kurz darauf die kühlende Nacht hereinbrach…
Aaron Sundermeyer

Das ersehnte Abenteuer beginnt


Donnerstag, 27. Juni,16:41Uhr: Wir standen in Hannover am Bahnhof. Doch unsere Geduld wurde gleich schon auf die Probe gestellt. Der Zug kam erst mit einigen Minuten Verspätung an. In Rio de Janeiro konnte Monica nach einer langen Nacht im Flugzeug und gefühlten drei Stunden Wartezeit für uns einen Bus mit Fahrer organisieren, der uns den ganzen Tag herumfuhr. Da das Wetter nicht so mitspielte, konnten wir nicht wie geplant auf den Corcovado und auch der Zuckerhut war in den tief hängenden Wolken verschwunden. Deshalb liefen wir durch den Park am Morro da Urca und wurden dort zu unserer großen Überraschung vollkommen entschädigt. 
Ankunft in Porto: Endlich!
Aus dem dichten Urwald zwischen riesigen Felsen kam eine große Schar von kleinen Sagui-Äffchen sehr zutraulich auf uns zu und schaute in unsere Kameras. Auch bunte Papageien konnten wir zwischen völlig unbekannten Bäumen finden. Und dann ging es an die Copacabana. Jetzt wurde es mir erst richtig klar: Wir sind in Brasilien. Schreiend, lachend, hüpfend rannten wir dem Wasser entgegen, das uns um die Beine spritzte. Einige von uns warfen sich in die Wellen und ließen sich mitreißen. Nach einem Besuch auf einem Markt mit typisch brasilianischem Kunsthandwerk ging es weiter zum Flughafen und über Brasília mit einer ¾ Stunde Verspätung nach Teresina.

Mit einem lauten Aufschrei, hüpfend und winkend stürzte ich aus dem Flugzeug. Mylla, Cleudiane, Raimundo und Jackson Henrique schwenkten eine große Deutschlandfahne und fielen uns mit lauten Freudenschreien in die Arme. 

Im Kolpingzentrum in Teresina ließen sich die meisten Jungs um 2:30 Uhr (7:30 Uhr deutscher Zeit) von ihrer Müdigkeit umhauen, während Hannah, Sharon, Julie, Flavia, Simon und ich es uns nicht nehmen ließen, im Pool unsere Reisestrapazen abzuspülen. Erst am nächsten Tag, nachdem wir ein Interview mit der Regionalpresse geführt hatten, ging es mit dem Bus nach Porto. Laut singend, klatschend, Fahnen schwenkend und mit Laolawelle fuhren wir in Porto gegen Mittag ein. Ich sprang aus dem Auto und konnte mich nicht mehr halten. Neto und ich nahmen uns in die Arme und schrieen uns die Sehnsucht aus Leib. Auch die anderen Deutschen und Brasilianer ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Endlich waren wir mit unseren Freunden wieder vereint und nur nach wenigen Stunden hörte ich von meinen Mitreisenden den Satz, „Ich liebe Porto, ich komme beim nächsten Mal wieder her.“ 

Leona Holzki, 30. Juni 2013

Donnerstag, 4. Juli 2013

Neues von Fruticultura


Seit fast einer Woche sind die Sorsumer jetzt in Porto und haben schon einiges in Bewegung gebracht. Und das ist der aktuelle Stand von unserem Obstkooperative-Projekt "Fruticultura":

Seit Mittwoch ebnet ein Radlader unser Grundstück und rodet die Baumstümpfe. Auch der strauchartige Bewuchs wird entfernt. Danach kann die Fläche gepflügt werden. Der neue Bürgermeister von Porto stellt uns Arbeiter und Maschinen zur Verfügung. Nur die Miete für den Pflug, umgerechnet etwa 100 Euro, müssen wir aus der Projektkasse bezahlen. Im hinteren Bereich des Grundstücks müssen noch ein paar Palmen gefällt werden. All das können die Jugendlichen kaum selbst bewerkstelligen. Daher übernehmen Profis diese Aufgabe.

Währenddessen kann bereits der Brunnen gebohrt, eine Pumpe eingebaut, ein Hochbehälter aufgestellt und die Solaranlage installiert werden. Die Kosten dafür betragen  20.000 R$, das sind rund 6.800 Euro. Sobald der Brunnenbohrer wieder gesund ist – hoffentlich schon nächste Woche – wird er sich an die Arbeit machen. Später soll noch eine Zisterne und ein fünf mal sieben Meter großer Unterstand gebaut werden.

Diese Arbeiten werden ein paar Wochen in Anspruch nehmen. Parallel beginnen die Jugendlichen Früchte zu verarbeiten. Am Dienstag waren die deutschen Gruppenleiter mit Landwirtschaftsfachmann Aldo Queiroz in Teresina und haben die ersten kleinen Maschinen gekauft. Damit können die Jugendlichen erst mal testen, welche Früchte sich gut verarbeiten lassen und welche Produkte den Portuensern am besten schmecken. 

Damit ihr euch das alles ein bisschen besser vorstellen könnt, haben wir auf einer Karte die für unser Projekt wichtigsten Orte markiert. Wenn ihr auf den gelb markierten Link klickt, könnt ihr euch einmal selbst in Porto umsehen. 



Mittwoch, 3. Juli 2013

Erster Bericht aus Porto


Liebe Freunde von Brasil09,
die Jugendlichen werden täglich von tausend neuen Eindrücken überrascht und sind bisher nicht dazu gekommen, einen Reisebericht online zu stellen. Für alle, die die Begegnung trotzdem verfolgen möchten, habe ich die erste Mail meines Vaters zusammengefasst, die er nach drei Tagen an Eltern und Familien verschickt hat. Als Vorstandsvorsitzender begleitet er die Gruppe und ist zum ersten Mal in Porto. Beste Grüße und até logo, Larissa

Ihr Lieben!

Nach einer langen und anstrengenden Reise sind wir endlich in Porto angekommen und haben uns schon ein wenig umgesehen. Unser Zwischenstopp mit überpünktlicher Landung um 4:30 Uhr in Rio war völlig anders als geplant, aber die Überraschungen haben uns alle begeistert. Nachts hatte es noch geregnet, dann wurde es ganz
schön. Allerdings war der Corcovado den ganzen Tag über in den Wolken und auch die Spitze des Zuckerhuts war nur selten zu sehen. Schade eigentlich.

Trotzdem haben wir unser Gepäck am Flughafen eingeschlossen und uns von einem Kleinbusfahrer in die Stadt fahren lassen. Er brachte uns nach Urca zum Zuckerhut. Die 52 R$ pro Person für die Seilbahn zur Mittelstation des Zuckerhuts haben wir uns gespart. Wir sind lieber ein Stück zu Fuß um den Berg gelaufen und erlebten unsere erste Offenbarung: Ein sehr dichter Urwald direkt auf den Felsen über dem Meer mit Papageien und kleinen Äffchen, die ganz dicht an uns herankamen. Wir waren begeistert. 


Anschließend brachte uns unser Fahrer nach Copacabana und ließ uns direkt an den Tischen eines kleinen Außenlokals aussteigen. Für umgerechnet acht Euro bekamen wir eine Vielzahl unheimlich leckerer Kleinigkeiten, bei denen nur die Vegetarier nicht ganz auf ihre Kosten kamen, alle anderen jedoch begeistert waren. Nebenan vor einem großen Luxushotel waren viele Polizisten postiert. Dort war zwar nicht die Seleção (die brasilianische Fußballnationalmannschaft) untergebracht, aber Fifapräsident Sepp Blatter. Ansonsten war es in Rio ganz ruhig, keine Demonstrationen zu sehen. Auch am Tag zuvor protestierten nur 5.000 Menschen.

Nach dem Essen mussten wir nur kurz über die Straße gehen und waren an einem superfeinen Sandstrand mit überraschend starken Wellen und Blick auf den Zuckerhut. Alle waren begeistert. Einige Jugendliche sprangen gleich ins Meer, andere gingen nur ein Stückchen hinein. Jan hat eine Welle so stark mitgerissen, dass er sich schmerzliche Abschürfungen im Gesicht und an der Schulter geholt hat. 



Zum Zuckerhut wollte dann niemand mehr. Nach einem Abstecher auf einen riesigen Kunstgewerbe-Basar fuhren wir wieder zum Flughafen. Die folgende Prozedur mit 2x Starten, Landen und Zwischenstopp in Brasília haben alle recht gut überstanden. Müde sind wir dann gegen 1.00 Uhr nachts (6.00 Uhr deutscher Zeit in unserer 2. Nacht) in Teresina, auf einem winzigen, völlig überfüllten Flughafen angekommen. Raimundo, Mylla und Cleudiane nahmen uns dort sehr herzlich in Empfang. Das Kolpinghaus in Teresina, in dem wir die kurze Restnacht verbrachten, war voll mit Jugendlichen. Sie waren zu einem Tanzfestival angereist und noch alle draußen im Garten. Ins Bett konnten wir dann ab 2:30 Uhr. Einige planschten aber noch bis vier Uhr morgens im Pool.

Am nächsten Morgen konnten wir nach erneuter Wartezeit und einem Presseinterview endlich mit einem Kleinbus nach Porto fahren. Unterwegs holten uns die Demonstrationen dann doch ein. Auf halber Strecke standen zwei völlig ausgebrannte Busse auf der Landstraße, die am Tag zuvor offenbar ein Student aus Protest gegen die Fahrpreise in Brand gesteckt hatte. Die Situation dort war völlig ruhig, aber doch gespenstisch. Wir hatten nicht erwartet, auch hier auf solchen Protest zu treffen.

Gegen 13.00 Uhr kamen wir dann in Porto an. Unser Quartier ist ein sehr schnuckeliges kleines Häuschen mit einem schönen Atriumgarten, Palmen und einer Veranda. Einige Jugendliche und ein „Herzlich Willkommen“ begrüßten uns herzlich. Wir haben einen großen Essraum, einen Wohnraum, eine Küche, fünf kleine Zimmer, zwei Bäder und dazu noch eine Außendusche. Wir werden hier bekocht und versorgt und fühlen uns gleich sehr wohl.

Nach dem Essen und der Zimmerverteilung machten wir einen kleinen Stadtrundgang, sahen Jugendlichen beim Tanztraining zu und entdeckten dabei Liliane, die uns herzlich begrüßte. Anschließend gingen wir zum Fluss, wo eine Prozession der Fischer mit kleinen Booten, Musikkapelle und Böllerschüssen am Landesteg der Fähre ankam. Dort konnten wir auch den Padre in die Arme schließen.

Abends trafen wir uns kurz im Centro da Juventude mit den Jugendlichen. Es war sehr bewegend, da ich dieses Haus nun zum ersten Mal selbst betreten konnte, für das wir so lange gearbeitet hatten und das nun der räumliche Mittelpunkt unserer Partnerschaft ist.

Sonntagmorgen besprachen wir uns in der Casa das Frutas, dem alten Kolpinghaus. Aldo zeigte uns stolz die einzelnen Räume gezeigt und erläuterte, wo was stattfinden wird. Michael hat ebenso stolz eine kleine Solarpumpe vorgeführt und sie den Brasilianern geschenkt, die diese mit großem Interesse gleich ausprobierten.

Vor dem Mittagessen sprangen die Jugendlichen noch schnell in den Fluss um wieder frisch zu werden. Und die Jungs waren zum Fußballspielen in einer Halle verabredet. Nachmittags haben wir die Plantage besichtigt. Die gerodete Fläche ist wieder ein bisschen zugewachsen. Abends schauten wir mit etwa 50 Leuten auf Aldos Veranda Fußball. Die Stimmung war natürlich super, die Brasilianer waren stolz und froh, dass wir mit ihnen die Seleção bejubelten.

Das Wetter ist warm (für die Brasilianer kalt) mit etwa 25° und bedeckt, morgens hatte es noch einen kurzen heftigen Regenschauer gegeben, sonst ist es aber sehr schwül. Die Stimmung ist gut, alle sind sehr diszipliniert, wir fühlen uns hier sehr wohl. Niemand vermisst hier Luxus, alle sind mit dem Einfachen zufrieden. Neben Mylla und Neto, die unseren Aufenthalt hier organisieren, sind häufig Marcelo, Jonas, Jackson, Nana, Ana Paula, Cleudiane, Liliane und viele jüngere Jugendliche dabei. Das Haus ist immer offen, dauernd gehen einige brasilianische Jugendliche ein und aus und verbringen ganz unkompliziert ihre Zeit mit uns.

Monica ist uns eine große Hilfe, nicht nur in Rio hat sie vieles für uns organisiert, was wir allein so nicht geschafft hätten.

Wir freuen uns auf vier spannende schöne Wochen und grüßen alle Daheimgebleibenen!